Mathilde Thorin zu Gast bei Haromex – Familien, Cognac und Zeit
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Mathilde Thorin zu Gast bei Haromex: Grande Champagne, Familiengeist und echtes Handwerk.
Mathilde Thorin zu Gast bei Haromex – Familien, Cognac und Zeit
Es gibt Tage, an denen sich Routine und Leidenschaft berühren – Momente, die bleiben, weil sie etwas spürbar machen, das man im Alltag oft übersieht: die Bedeutung von Zeit, Geduld und Vertrauen. Als Mathilde Thorin, vierte Generation der Familie Thorin, bei uns in Brüggen zu Gast war, war genau so ein Tag. Sie brachte keinen Marketingvortrag mit, keine Folien, keine überzogene Inszenierung. Sie brachte eine Haltung. Eine, die man nur entwickeln kann, wenn man in einem Familienbetrieb aufgewachsen ist, der seit über 140 Jahren mit Erde, Holz und Feuer arbeitet.
Für uns bei Haromex war es kein erster Kontakt. Wir vertreten das Haus Claude Thorin bereits exklusiv in Deutschland. Aber dieser Besuch war mehr als ein geschäftlicher Termin – er war ein Gespräch zwischen zwei Familien, die das gleiche Fundament teilen: Unabhängigkeit, Verlässlichkeit und die Überzeugung, dass gute Produkte nur dann entstehen, wenn man sie aus Überzeugung macht. Diese Gemeinsamkeit war spürbar, noch bevor das erste Glas eingeschenkt wurde.
Mathilde Thorin sprach ruhig, fast nachdenklich, wenn sie über ihre Arbeit erzählte. In ihren Worten lag die Gelassenheit von jemandem, der weiß, dass die besten Dinge Zeit brauchen. Sie erzählte von den Reben rund um Segonzac, vom Wechsel der Jahreszeiten, vom Duft nasser Erde nach einem Sommerregen. Von einem Terroir, das so speziell ist, dass die Franzosen es als Premier Cru de Cognac bezeichnen: die Grande Champagne.
Wer Cognac verstehen will, muss die Grande Champagne verstehen. Dieses Gebiet – rund 34 000 Hektar groß, mit Segonzac als geographischem Zentrum – ist das Herzstück der gesamten Region. Hier prägt ein außergewöhnlicher Boden die Qualität des Weins: eine feine, kreidige Struktur, durchzogen von fossilen Muschelschichten, die vor Millionen Jahren entstanden sind, als hier noch ein Urmeer lag. Dieser helle Kalkstein speichert Feuchtigkeit wie ein Schwamm, reflektiert Sonnenlicht und sorgt für eine gleichmäßige Reifung der Trauben. Er ist porös genug, um Regenwasser aufzunehmen, aber dicht genug, um es langsam wieder abzugeben. Für die Reben bedeutet das: kein Stress, kein Übermaß, nur Balance.
Die Weine, die hier wachsen, sind nicht spektakulär – zumindest nicht im klassischen Sinne. Sie sind leicht, säurebetont und aromatisch fein. Aber genau das macht sie ideal für die Destillation. Ein Cognac aus der Grande Champagne braucht Geduld. Seine Eaux-de-Vie sind in der Jugend fast zurückhaltend, manchmal streng. Doch über Jahrzehnte entwickeln sie Aromen von Trockenfrüchten, Honig, Vanille und der typischen nussigen Tiefe, die Kenner als Rancio Charentais bezeichnen – jenes seltene Aromenspiel aus Holz, Nüssen und Wachs, das nur in feuchten Kellern und über lange Zeit entsteht.
Claude Thorin arbeitet ausschließlich mit Trauben aus dieser Region. Das war nie eine Marketingentscheidung, sondern eine Überzeugung. Schon der Gründer Pierre Thorin wusste um die Finesse dieser Böden. Als sein Enkel André Thorin in den 1950ern die Rebflächen erneuerte, pflanzte er neben der robusten Ugni Blanc – heute die wichtigste Cognac-Rebsorte – auch wieder Folle Blanche an. Diese alte, empfindliche Sorte war fast ausgestorben, nachdem die Reblauskatastrophe im 19. Jahrhundert die Region verwüstet hatte. Folle Blanche ist schwierig zu kultivieren: empfindlich gegen Pilzkrankheiten, dünnschalig, kleinbeerig. Aber sie bringt destilliert eine Feinheit und aromatische Intensität hervor, die kein anderer Wein erreicht. Ihr floraler Charakter – Veilchen, Lindenblüten, weiße Pfirsiche – verleiht den Eaux-de-Vie eine subtile, fast ätherische Note.
Heute kultiviert die Familie Thorin beide Sorten: Ugni Blanc für Struktur und Langlebigkeit, Folle Blanche für Eleganz und Tiefe. Das ergibt Cognacs, die gleichermaßen stabil und filigran sind – ein Stil, der nicht laut, sondern leise überzeugt.
Die Arbeit beginnt jedes Jahr im Herbst. Nach der Lese werden die Trauben gepresst und der Most spontan vergoren – ohne Zucker, ohne Schwefel, ohne Eingriffe. Das Ziel ist kein perfekter Trinkwein, sondern ein Basiswein mit frischer Säure und niedrigem Alkoholgehalt, meist um 8–9 Volumenprozent. Diese Weine bilden die Grundlage der späteren Destillation.
Im Winter, wenn die Nächte kühler werden, beginnt das Brennen. Bei Claude Thorin stehen zwei traditionelle Charentaiser Brennblasen, aus Kupfer gefertigt, jede mit rund 25 Hektolitern Fassungsvermögen. Destilliert wird in zwei Stufen: Zuerst entsteht der „Brouillis“ – ein Rohbrand mit etwa 30 Volumenprozent –, dann folgt die zweite Destillation, la bonne chauffe. Nur der mittlere Teil des Destillats, das sogenannte Herz, wird weiterverwendet. Die ersten und letzten Anteile werden abgetrennt, weil sie zu scharf oder zu schwer wären.
Besonders ist, dass bei Thorin auf der Hefe destilliert wird. Das bedeutet, dass der Wein nicht gefiltert wird, bevor er in die Brennblase kommt. Die feinen Hefezellen karamellisieren beim Erhitzen leicht und geben komplexe, röstige Noten ab – Brot, Nüsse, leichte Cremigkeit. Diese Technik erfordert Erfahrung: zu stark erhitzt, verbrennt die Hefe; zu schwach, bleibt das Destillat flach. Die richtige Balance ist Handwerk, kein Zufall.
Nach der Destillation wird das frische Eau-de-Vie – glasklar und noch scharf – in Fässer aus französischer Limousin-Eiche gefüllt. Das Holz dieser Region ist grobporig und reich an Gerbstoffen. Es gibt zunächst Tannine, später Vanillin und süße Holzaromen ab. Im ersten Jahr nutzt man neue Fässer, um Struktur aufzubauen, danach ältere, um die Entwicklung zu verlangsamen.
In den kühlen, dunklen Kellern der Familie beginnt dann der eigentliche Zauber. Jahr für Jahr verdunstet rund zwei Prozent Alkohol – la part des anges, der Anteil der Engel. Zurück bleibt eine langsam konzentrierte Flüssigkeit, deren Farbe von blassgold zu tiefem Bernstein wechselt. Die Textur wird weicher, die Aromen runder. Der Kellerduft ist unverwechselbar: Holz, Früchte, Feuchtigkeit, ein Hauch von Wachs.
Nach Jahren – manchmal Jahrzehnten – werden die einzelnen Fässer verkostet und zu Blends zusammengeführt. Das erfordert Erfahrung, Sensorik und Gedächtnis. Jeder Kellermeister führt ein Register über die Aromen jedes Fasses: Frucht, Holz, Gewürz, Stärke, Länge. Aus dieser Vielfalt komponiert die Familie ihre Serien: VSOP, XO, XO Royal, VR, Extra. Es sind keine standardisierten Rezepte, sondern fein abgestimmte Balanceakte.
Mathilde Thorin sprach darüber, als wäre es selbstverständlich: „Unser Ziel ist nicht, jedes Jahr gleich zu schmecken, sondern jedes Jahr unseren Stil wiederzufinden.“ Dieser Stil ist geprägt von Ausgewogenheit – Frucht, Vanille, Würze, Länge. Kein Cognac bei Thorin dominiert durch Holz; keiner wirkt überlagert. Alles bleibt harmonisch, unaufgeregt, fast leise.
Als wir später zusammen verkosteten, wurde diese Philosophie deutlich. Der VSOP eröffnete das Tasting – weich, rund, mit Noten von getrockneter Aprikose, etwas Honig und Vanille. Ein Cognac, der leicht zugänglich ist, aber trotzdem Struktur hat. Der XO zeigte mehr Tiefe: dunklere Früchte, feine Gewürze, etwas Tabak, ein Hauch Rancio. Seine Textur war cremig, die Balance fast perfekt. Der XO Royal schließlich war ein Erlebnis aus Schichten – kandierte Orange, Haselnuss, zarte Eiche, ein Nachhall, der minutenlang blieb. Kein Alkohol brannte, nichts störte. Nur Wärme, Länge und Klarheit.
Dann wechselten wir zu einer anderen Spezialität des Hauses – dem Pineau des Charentes, den Claude Thorin in zwei Varianten herstellt: als hellen Sélection und als roten Rubis. Für viele außerhalb Frankreichs ist Pineau noch ein Geheimnis. Es ist ein Likörwein, der entsteht, wenn frischer Traubenmost mit jungem Cognac vermählt und anschließend in Eichenfässern gelagert wird. Das Ergebnis: ein Getränk zwischen Wein und Spirituose, mit etwa 17 Prozent Alkohol, fruchtig, süß und lebendig. Bei Claude Thorin ist Pineau kein Nebenprodukt, sondern eine eigene Disziplin.
Der Sélection zeigte helle Früchte – Birne, Pfirsich, weiße Blüten – mit einer angenehmen Frische. Perfekt als Aperitif oder in Cocktails wie dem French Spritz. Der Rubis dagegen präsentierte rote Früchte, etwas Kirsche und Cassis, mit feiner Kräuternote – ideal gekühlt an warmen Tagen. Mathilde erzählte, dass Pineau in Frankreich oft ein Familiengetränk sei, serviert bei Feiern oder als Begleitung zu Käse. Es war schön zu sehen, wie viel Leidenschaft und Sorgfalt auch in diesen Weinen steckt.
Zwischen den Gläsern sprach Mathilde über die Geschichte ihres Hauses. Ihr Urgroßvater Pierre Thorin legte 1879 den Grundstein, ihr Großvater André baute nach dem Zweiten Weltkrieg die Weinberge wieder auf, ihr Vater Claude installierte in den 1970ern die ersten Brennblasen und gründete 1995 die eigene Marke. 2004 übernahm er das historische Anwesen in Segonzac – ein Gut, das zuvor über Generationen von Kellermeistern bewohnt wurde. 2021 kehrten Matilde und ihre Schwester Elise Thorin zurück, um die vierte Generation zu vervollständigen. Eine Geschichte von Kontinuität, geprägt von Geduld, aber auch von Mut.
Diese Ruhe und Verlässlichkeit sind Eigenschaften, die uns vertraut sind. Auch Haromex ist ein Familienbetrieb – gegründet mit dem Ziel, authentische Spirituosen aus aller Welt zu vertreiben. Über die Jahre sind wir gewachsen, haben Märkte erschlossen, Marken begleitet, Geschichten erzählt. Doch was uns immer am meisten begeistert hat, sind Menschen wie die Familie Thorin: Produzenten, die ihr Handwerk leben, die Verantwortung tragen und langfristig denken.
Solche Partnerschaften sind selten. Sie beruhen nicht auf Verträgen, sondern auf Vertrauen. Auf dem Wissen, dass man dieselbe Sprache spricht, auch wenn sie unterschiedlich klingt. Als Mathilde über das Timing der Ernte sprach, über die Spannung der ersten Destillation oder über den Moment, wenn man ein altes Fass öffnet, fühlte es sich an, als spräche sie über genau das, was auch uns antreibt: Leidenschaft für das Echte, das Beständige.
Im Laufe des Tages wurde klar, dass die Philosophie von Claude Thorin und Haromex sich fast spiegeln. Beide Häuser sind unabhängig. Beide setzen auf langfristige Qualität, nicht auf kurzfristige Trends. Beide glauben daran, dass Herkunft und Integrität nicht verhandelbar sind. In einer Branche, in der vieles austauschbar geworden ist, sind das Werte, die tragen.
Wir sprachen auch über die Zukunft des Cognacs in Deutschland. Der Markt verändert sich: Jüngere Konsumenten interessieren sich wieder für Herkunft und Handwerk, für ehrliche Produkte mit Geschichte. Gleichzeitig suchen Gastronomen und Fachhändler nach Marken, die verlässlich sind – nicht austauschbar, sondern authentisch. Genau dort sehen wir das Potenzial von Claude Thorin. Ein Familienbetrieb, der ohne große Werbekampagnen auskommt, weil das Produkt selbst überzeugt.
Cognac ist kein Getränk für Eile. Er ist das Gegenteil von Schnelllebigkeit. Jede Flasche erzählt von Zeit: vom Kreideland der Grande Champagne, vom Winterfeuer unter der Brennblase, von den stillen Jahren im Keller. Man kann diese Zeit nicht beschleunigen, man kann sie nur respektieren. Und vielleicht ist das der größte Luxus, den ein Glas Cognac bietet – die Erfahrung von Geduld.
Als der Tag bei uns zu Ende ging, stand die Sonne tief. Die letzten Gläser leuchteten bernsteinfarben im Licht. Es war stiller geworden, ruhiger, so wie nach einem guten Gespräch, das noch nachklingt. Niemand sprach von Marketing oder Verkaufszahlen. Es ging nur noch um Geschmack, Gefühl und das Wissen, dass Handwerk und Haltung sich ergänzen.
Zwischen Segonzac und Brüggen liegen viele Kilometer, aber nur wenige Gedankenunterschiede. Beide Familien wissen, was es heißt, Verantwortung zu tragen, Qualität zu schützen und dabei authentisch zu bleiben. Vielleicht ist das der wahre Kern solcher Partnerschaften: nicht das Geschäftliche, sondern das Gemeinsame.
Wir sind stolz darauf, das Haus Claude Thorin in Deutschland zu vertreten. Nicht, weil es eine Marke ist, sondern weil es eine Geschichte ist – eine, die weitergeht, mit jeder Flasche, die geöffnet wird, und mit jedem Glas, in dem man Zeit schmecken kann.
Und vielleicht ist es das, was uns am meisten verbindet: der Glaube daran, dass gute Dinge Zeit brauchen – und dass sie diese Zeit verdienen.
Wusstet ihr schon, dass sich Pineau des Charentes auch wunderbar als Basis für leichte Cocktails eignet?
Mathilde Thorin schwört auf den French Spritz:
6 cl Pineau des Charentes Sélection, 6 cl Prosecco, 3 cl Sprudelwasser – dazu eine Scheibe Zitrone oder Orange.
Einmal umrühren, zurücklehnen, genießen.
Ein Stück Grande Champagne im Glas – unkompliziert, frisch und ehrlich.
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